Vita Virtualis

Diese Biografie gibt nur einen Ausschnitt aus „meinem“ Leben mit den „neuen Medien“ wieder. Freilich gibt es andere Ebenen jenseits der „Medienwelt“, die an anderer Stelle beschrieben werden.
Meine Teenager Jahre und die pubertierende PC Revolution fielen glücklicherweise zusammen. Es war die Zeit, in der es drei Fernsehprogramme, das Radio und die Zeitung gab – hübsch säuberlich von der Medienindustrie für eine voneinander getrennte Masse produziert, die damals noch nicht zurück senden konnte. Jene Medien prägten mir einen Großteil meiner Selbst- und Weltbilder ein.Vom Amstrad Z40,  Commodore +4 (der mit den festklemmbaren Gummitasten), über den Schneider PC mit Datasette (bzw. Musikkassetten Killer), den Klassiker “C 64″, den schnittigen Amiga 500, 1200 dann 4000 (wow mit Festplatte) ging es dann zum ersten 386er DX40 und so weiter…. (wir alle wissen um die beschleunigte Hyperinnvoation, die seit dem immer mehr auf die Tube drückt.

Den Umgang mit Operating Systems und dem gerade so gängigen Interface lernten wir nicht etwa in der Schule, sondern nach der Schule – und zwar beim “Zocken”,  ”Gamen” und “Computerspielen” (in dieser Reihenfolge)

Anfangs mussten wir angehenden Cyberianer noch endlose Listings aus Computerzeitschriften abtippen, dann die verdammten Fehler Zeile für Zeile suchen und korrigieren, nur damit wir ein Spiel spielen konnten, über das mein 10jähriger Sohnemann heute nur mitleidig lächeln würde. So erlernten wir Code und Syntax – und wie man sie auseinander nimmt…de-konstruiert.

Hui – wie wunderbar war doch der Einzug der GUI´s (Graphical User Interfaces), die uns von der Code Ebene auf die ikonografische Ebene erhoben. Die prä-post-modernen Ikonen verlinkten wir mit Bedeutung und navigierten mit dem Zauberstab kinästhetisch im engen Kontakt mit der  Maus – wenn wir nicht gerade wieder einen Joystick in wilder Action durchjagden (Olympic Games & International Karate – Vorreiter des heutigen Profi eSports)

Dann erlebte ich das Wunder einer “Mailbox” – jene mysteriösen, virtuellen Begegnungsstätten, die man über ein wildes Kreischen aus einem Telefonhörer auf dem Akustik Koppler erreichte und wo die mächtigen Sysops regierten.

Das Internet hielt Einzug – doch da war mein Interesse (und auch der Geldbeutel) [noch] nicht. Statt dessen entdeckten wir in langen Wochenenden auf unseren ersten LAN Parties die ersten Multiplayer 3D Welten und waren entzückt – nach 2 Stunden genauso “frisch” wie 18 Stunden später oder länger.

Anfang 1996 erschien ich als barfüssiger Hippie in einer Firma für Multimedia Design und setzte dem Chef penetrant zu, er solle mich für die Produktion eines interaktiven Stadtführers auf CD ROM engagieren. Ich hätte zwar noch keine Ahnung, wie man das macht, aber würde mich sehr schnell einarbeiten. Meine kompetente Hartnäckigkeit überzeugte ihn wohl und ich hatte den Job.  Typisch für Multimedia Agenturen: Die Isomatte war direkt neben dem Schreibtisch ausgerollt. So konnte man praktisch nach 22 Stunden, – wenn es dann doch langsam nicht mehr so wollte –  einfach rechts rüber kippen.

Zeitungsartikel 1998 - PantomimeEnde 1996: da holte mich das World Wide Web. Zunächst für meine Reisevorbereitungen “Kalifornien – Silicon Valley” wohin mich die Einladung eines Schriftstellers  für drei Wochen tragen sollte. Aus 3 Wochen aber wurden 6 Monate – ich wollte nicht mehr zurück. In den vorangehenden zwei Jahren hatte ich mich bereits als Performance Artist etabliert, stand als Pantomime, Clown, Moderator und Musiker auf Bühnen und Veranstaltungen, in Kinder-, Alten- und Behindertenheimen und unterrichtete kreativen Körperausdruck in städtischen Einrichtungen und Schulen.

damalige Zeitungsreportage über meine Arbeit als Pantomime

Diese Tätigkeit war in Kalifornien gern gesehen. Bei Merril West Publishing bekam ich zusätzlich eine Stelle “Internet Research & Marketing” angeboten. Mission: Wie stehen die Chancen des Publishers für die Promotion und den Absatz des Buch Sortiments in den damaligen Internet Communities ?

So angesteckt vom Netz Fieber und dem aufsteigenden Geist der “New Economy” im Silicon Valley (das ich immer wieder für einige Monate besuchte) gründete ich zurück in Deutschland mit einem Kaufmann und einem Informatiker die CreaTeam GbR, die neben krummen Netzwerkdienstleistungen auch schlechtes Webdesign (meinerseits) anbot. Damals wurde noch händisch im Windows Editor HTML “programmiert” – eine Qual für visuelle Typen wie mich.

1999 packte mich vollends das eBusiness Fieber – ich bildete mich fort und bekam trotz todsicherer Unsicherheiten (typisch für die New Economy) viel Geld von den Banken geliehen, die sich beeindruckt von meinen Ideen zeigten – welche eben auch solche blieben – aber egal: sie klangen zunächst einmal spekulativ viel versprechend (und viel versprechen konnte ich).

Nach einer weiteren Rückkehr aus dem Silicon Valley und einem  anschließenden Totalabsturz meines persönlichen Oberstübchen Betriebssystems (Deutschland wurde kultur-technisch ÄTZEND für mich), kam die gemischte und doch sehr frohe Botschaft einer Schwangerschaft mit meiner damaligen Freundin. Nun: schnell her musste ein bezahlter Job. Und da im stets modernen Konservatismus des Münsterlandes ein krummer Lebenslauf bei den Personalabteilungen nicht auf die Begeisterung stieß, die ich aus dem Silicon Valley gewohnt war, infiltrierte ich die Telcos als Call Center Agent im Customer Support – denn quatschen konnte ich ja.

Dort erst mal angekommen, hackte ich mich ins Intranet und erfuhr so von den aufregenden Abenteuern der New Business Development Abteilungen. @ Home bastelte ich Lösungen für deren Vorhaben zusammen und überraschte dann die Entscheidungsträger mit einer Präsentation, die begeisterte. Dreimal erklomm ich innerhalb von einem Jahr auf diese Weise die Leiter zum Produktmanager in zwei größeren Telekommunikationsunternehmen im UMTS Fieber und einem start-up mit viel Kohle in Millionenhöhe aus den prallen Taschen der Venture Kapitalisten.

Die Shareholder waren die wahren Kunden wie mir bald gewahr wurde – die Endkunden aber: naive Püppchen, die mit einem unausgereiften Produkt spielen durften, bis ein Buyout erzielt werden konnte und sich die Gründer vom Acker…auf einen neuen machten. Die New Eco.nomy und ihre erste Odyssee brach gegen 2001 zusammen und ich bereits kurz vorher – denn mein Idealismus wurde total formatiert. Aus die Maus.

Trennung – Dunkle Nacht der Seele – Pilger- und Wanderschaft. Gegen Webdesign bekam ich an verschiedenen Orten Essen und Unterkunft (darunter auch wieder mein geliebtes Kalifornien). Dort sah man an Straßenrändern weitere Cyberhippies mit nostalgischen Pappschildchen: “Programmiere gegen Essen und Unterkunft”.

>> Fast forward >> Spannend war der Übergang des allmächtigen Webmasters, der vor einigen Jahren noch der Held kaputter Kaffeemaschinen im Sekretariat, de-fragmentierender Festplatten in der Marketing Abteilung und amateurhafter Websites mit Front(al)page war. Er wurde immer mehr zum “Web Server”, bevor er sich in einen ganzen Splitterhaufen aus neuen Kompetenzfeldern der Neuen Medien auflöste – mit teils blumigen  Namen wie “User Experience Designer, Information Architect, Content Redakteur, etc. Die Content Management Systeme ( CMS ) wurden emsig von Open Source Gemeinden weiter entwickelt. Damit war es einem kollaborativen Team aus Amateuren möglich, die Website nach der professionellen Ersterstellung dezentral weiter zu pflegen. Und zwar dort, wo sie lag: im Web. Der Web Master war nur noch ein Meister seines Fachs, wenn er so gut geserved hat, dass die Betreiber der Website selbständig daran weiter arbeiten konnten.

Ich spezialisierte mich also auf CMS – immer mehr auch als “Community Management Systeme” gelesen – denn neben dem kollaborativen Team im backend wurde es auch für die Besucher der Websites immer attraktiver, da sie mehr und mehr Interaktions- und Kommunikationsmöglichkeiten an die Hand bekamen: Mit dem Team hinter der Site (backend) und unter sich – vorne auf der Site (Frontend).

meplay2003 erhielt ich ein wunderbares Angebot aus Kalifornien: Flug, Unterkunft, Verpflegung und ein Mac Book Pro für die Zeit als Gegenleistung für den Bau einer Online Community für meinen befreundeten Schrifsteller. Dankend nahm ich an und hatte schon bald 700 aktive Mitglieder quer über den Globus verteilt, die mich ins Schwitzen brachten – denn ganz so erfahren war ich damals darin nicht und lerne noch immer eine Menge Tag für Tag dazu. Auf dem Bild Rechts sieht man meinen bunten Arbeitsalltag vor dem Kamin. Auch in Kalifornien kann es in der Bay Area im Winter sehr kalt werden.

Nach einem dreimonatigen Trip durch Baja California, Mexiko, kehrte ich nach Deutschland zurück und die Faszination des 3D Webs packte mich. 1999 bis Anfang 2000 hatte ich mich bereits dank DSL in der Cybertown getummelt – einer VRML (Virtual Reality Modeling Language) basierenden 3D Welt, welche Blaxxun mit Büros in Kalifornien, Deutschland und Asien + ordentlich Venture Capital im Nacken nach Vorne trieb, bis sie mit dem Crash der New Economy ebenfalls auseinander brach. Ein kleines Büro mit wenigen Mitarbeitern vertickte noch immer die antiken Code Überreste für überhöhte Preise in alle Welt, als ich 2004 auf der Suche nach einer 3D Lösung für ein soziales Bildungsprojekt nach der Cybertown fandete. Blaxxun ludt mich nach München ein und wir kooperierten eine Weile. Doch Second Life wurde präsenter am Markt und faszinierte mich zunehmend.

Doch Second Life wurde präsenter am Markt und schien mir die zukunftsträchtigere Alternative.

In einem Telefonmeeting mit Robin Harper – damals Vice President, Marketing and Community Development sprach ich die Hürde für soziale Projekte und Non-Profits an: Denn die Mitgliedschaft kostete damals noch und die Islands waren für kleine Projekte fast unerschwinglich. Robin versprach, sie würde “into it looken”.

3 Monate beschäftigte ich mich im letzten Jahr nochmals intensiv mit den Möglichkeiten von Second Life bevor ich mich der World of Warcraft zuwandte, um in ihr nach Möglichkeiten für alternative 2D/3D Web Angebote zu forschen – ein “Serious Game in Game”, das die vorhandene Infrastruktur eines erfolgreichen MMO´s nutzen könnte, um darin Bildungs- und Seelsorgeangebote zu schaffen.

Der Social Media Space als kreativer, spielerischer Wissensraum ist mir als Digital Native der ersten Generation zur vertrauten Heimat geworden. In ihr bewege ich mich staunend forschend und experimentierend….

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